Fahrzeugmodell Tw 220 Kiel  
     
  Zweiachsiger Triebwagen Typ „Wismar“ Nr. 220 der
Kieler Verkehrs-Aktiengesellschaft (KVAG)


Ein Beitrag von Patrick Hollmann (FSK e.V.)
 
     
  Das Vorbild

Die zweiachsigen Triebwagen der Serie 212-226 wurden nach langer Beschaffungspause 1940 von der Waggonfabrik Wismar bezogen, um den steigenden Werftarbeiterverkehr abwickeln zu können. Sie besaßen einen Stahlaufbau, und mit ihrer klaren Linienführung war ihnen eine gewisse Eleganz nicht abzusprechen, vergleicht man sie z.B. mit den nur wenige Jahre später nach Kiel gekommenen KS-Beiwagen. Es war in Kiel bis dahin stets üblich gewesen, Wagenserien nach ihrem „Geburtsort“ zu benennen, so gab es vorher bereits „Königsberger“ (Waggonfabrik Steinfurth, Königsberg), „Kölner“ (Waggonfabrik Herbrand, Köln) und „Hamburger“ (Waggonfabrik Falkenried, Hamburg) Wagen. So war es folgerichtig, die "Neuen" als „Wismarer“ zu bezeichnen.

Auch passende Beiwagen wurden beschafft. Diese wurden aber von der Waggonfabrik Uerdingen hergestellt. Sie entsprachen ihrem Äußeren weitgehend den Triebwagen, lediglich das Dach verfügte über eine höhere Wölbung, auch unterschied sich das Fahrgestell stark von ihren motorisierten Kollegen. Interessant ist dabei, dass keine Linieneinsätze als typenreiner Dreiwagenzug dokumentiert sind. Lediglich für das Firmenarchiv wurde ein solcher Zug abgelichtet. Ansonsten wurde Zügen aus Wismarer und Uerdinger Wagen stets irgendein Altbaubeiwagen beigegeben.

Etliche Fahrzeuge erlitten teils schwerste Kriegsbeschädigungen, so stand Tw 216 sogar vor dem neuen Rathaus durch die Druckwelle eines nahen Bombeneinschlags senkrecht in der Luft auf der Stirnwand. Er fiel nur deshalb nicht um, weil er sich dabei gegen einen danebenstehenden Tw gleicher Serie lehnte. Die drei am schwersten beschädigten Triebwagen 215, 216 und 221 wurden in der eigenen Werkstatt nach Kriegsende „umgebaut“ (für neue Wagenkästen gab es nicht sofort Geld aus dem Wiederaufbauprogramm): Sie erhielten verlängerte Plattformen, breitere Fensterholme, schräggestellte Stirnfenster und gesickte Seitenwände. Bei einer derart starken Veränderung kann man sich fragen, ob außer Elektroausrüstung, Fahrgestell und eventuell dem Dach überhaupt noch viel von den Ursprungswagen verwendet wurde.

Alle Wismar-Tw standen bis maximal 1967 im Dienst und wurden dann verschrottet, nur der Umbauwagen 215 wurde nach Braunschweig abgegeben und dort noch einige Jahre ohne große Veränderungen eingesetzt. Er ging später an das Straßenbahnmuseum in Sehnde bei Hannover und wurde dort nach langer Abstellzeit im Freien in den 90er Jahren zerlegt.
 
     
     
  H0-Modell des Wismar-Wagens

Nach meinem ersten Versuch des Baus von Straßenbahnwagen aus Messingätzblech mit einem Dach aus Kunststoffguss war ich von dieser Fertigungsmethode sofort überzeugt. Das Resultat dieses ersten Versuchs ist der ebenfalls hier vorgestellte Osloer Triebwagen 230.
Da es vom Kieler Wismar-Tw (wie von den meisten anderen Kieler Straßenbahn-Wagentypen auch) keine Modelle oder Modellbausätze zu kaufen gibt, entschied ich mich, auch diesen Wagen nach dieser Methode zu basteln. Jedoch legte ich diesmal aus Zeitmangel das eigentliche Ätzen in die Hände einer Fachfirma.
So kam denn irgendwann kurz nach der Auftragserteilung ein fertiges Ätzblech bei mir an.
Natürlich überstieg es die Ätzqualität meines Osloer „Eigengewächses“ noch um Längen, schließlich ist es im Gegensatz zu letzterem im Sprühätzverfahren hergestellt, welches eine homogenere Verteilung der Ätzchemikalien ermöglicht.
Für die Kleinteile (Fahrtrichtungszeigelampen, Steckdosen, ...) erstellte ich Urmuster, die eine einschlägige Gießerei in Messing abgoss. Andere, wie etwa Fahrschalter mit Fahr- und Bremskurbel, Rammbohle, Dach, Fahrgestellblenden goss ich selbst in Zinn oder Resin ab.
 
     
     
  Aus dem Ätzblech trennte ich die Einzelteile heraus, bog sie entsprechend der Dachgrundplatte und punktete sie zunächst provisorisch daran fest. Als die Sichtkontrolle ergab, dass alle Wandteile richtig „saßen“, wurden die Lötnähte endgültig durchgezogen. Dann wurden die Trennwände zusammengelötet, passend zur Grundplatte eingebaut und der Wagenkasten mit Liniennummernwürfeln, Scheinwerfern, Außenspiegeln (einer ein- und einer ausgeklappt!), Griffstangen, Steckdosen, Fahrtrichtungs- zeigelampen und Mülleimern für die abgefahrenen Fahrscheine komplettiert.  
     
     
  Das Fahrgestell wurde gebogen, verlötet, mit Fahrgestellblenden, Versteifungsrahmen und Fahrschaltern versehen und dann probeweise mit dem Wagenkasten verschraubt. Nachdem alles passte, wurde der Wagenkasten gereinigt und entfettet, Rammbohlen und Resindach festgeklebt und alles aus der Sprühdose grundiert. Danach erfolgte die vorbildgerechte Lackierung mit der Spritzpistole. Derselbe Vorgang erfolgte auch beim Fahrgestell. Die Zierlinien trug ich nach Abkleben mit einem feinen Pinsel auf. Dann erfolgte die Beschriftung aus Nassschiebebildchen. Um die Beschriftung griffest zu erhalten, erfolgte noch eine abschließende Versiegelung mit seidenmattem Klarlack. Nach völliger Austrocknung wurde das Antriebsfahrgestell von pmt einfach in die Bodenplatte geschraubt und eine Probefahrt durchgeführt.  
     
     
  Jetzt fehlte nur noch die „Verglasung“ aus Klarsichtfolie, die Beschilderung und das entsprechende Fahrpersonal, und der Wagen nahm seinen „Liniendienst“ auf der Linie 1 auf.
Sicher wird er demnächst einen passenden Beiwagen der „Uerdinger“ Bauart erhalten. Und dazu noch einen Lindner-Beiwagen? Man wird sehen...
 
     
 
 
     
  Literatur

Höltge, Dieter: „Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland“, Band 8: Schleswig-Holstein,
                      EK-Verlag, Freiburg, 2002.

Mausolf, Andreas: „Die Straßenbahn in Kiel“, Verlag Schweers + Wall, Aachen, 1990.